Zum Hauptinhalt springen

Book of the month
April 2025

Dreimeterdreißig von Jaqueline Scheiber

Dreimeterdreißig - Wenn Schmerz eine Sprache findet

Es gibt Bücher, die liest man. Und es gibt Bücher, die wachsen einem unter die Haut, setzen sich fest zwischen den Rippen, werden zu einem Echo im eigenen Inneren. Dreimeterdreißig von Jaqueline Scheiber ist genau so ein Buch.

Es ist keine leichte Geschichte. Es ist eine Wunde, die sich öffnet, ein Schmerz, der eine Sprache findet. Die Autorin schreibt über einen Verlust, der jede Grenze sprengt – über Trauer, die in den Körper dringt, über Erinnerungen, die nicht verblassen, über eine Liebe, die selbst der Tod nicht auslöschen kann. Ihre Worte sind roh, ungeschönt, voller Schwere – und gerade deshalb so ehrlich, so echt.

Und dann ist da diese Liebe. Klara und Balázs. Eine Liebe, die nicht laut sein muss, um tief zu gehen. Eine Liebe, die sich in Gesten versteckt, in gemeinsam verbrachter Zeit, in Gesprächen, die in der Luft hängen bleiben. Es ist eine Liebe, die man beim Lesen spürt, die man mit ihnen lebt – und die doch so unendlich zerbrechlich ist. Und als sie zerbricht, bleibt nur noch die Erinnerung. Ein Nachhall von Nähe, ein Raum, der sich nicht mehr füllt.

Und als wäre das nicht genug, webt Scheiber noch eine zweite Ebene in ihr Buch. Die Kapitelüberschriften formen ein Gedicht von Lydia Daher, einer außergewöhnlichen Künstlerin, deren Gedichte zwischen Melancholie und Komik balancieren – genau dieser bittersüße Ton, den ich so sehr liebe. Ihre Worte haben eine besondere Art, gleichzeitig zu berühren und ein leises Lächeln hervorzurufen. Ich lese ihre Texte immer wieder gerne, und hier verleihen sie dem Buch eine zusätzliche Tiefe, ein Echo zwischen den Zeilen, das Klaras Schmerz und Sehnsucht in einer neuen Sprache weiterschreibt.

Ich habe gelesen, innegehalten, tief geatmet. Und mich gefragt, wie man so über den Abgrund schreibt, ohne darin zu verschwinden. Wie man Sätze baut aus Dingen, für die es keine Worte gibt. Jaqueline Scheiber tut genau das – mit einer Kraft, die einen umhaut, mit einer Zärtlichkeit, die unter die Haut geht.

Dreimeterdreißig ist ein Buch, das nicht getröstet werden will. Es bleibt, es brennt, es erinnert daran, dass Schmerz ein Teil von uns ist – aber auch, dass wir ihn tragen können. Seite für Seite. Schritt für Schritt.